Indien, Delhi - eine indische Familie

Roger holt mich vom Flughafen ab und schon mein erster Eindruck ist, dass ich ihn nicht recht einschätzen kann. Auf der einen Seite ist er übereifrig, kocht für alle, fährt uns durch die Stadt zum Sightseeing und besteht darauf zu bezahlen. Auf der anderen Seite muss ich mit mehreren seiner Freunde seltsam aufgezwungene Telefonate führen und er zeigt seine internationalen Gäste dann auch bei Zusammentreffen seiner Freunde und Familie an mehreren Abenden herum, wie neue Spielzeuge. Seine bestimmende Art läuft mir recht schnell gegen den Strich, doch die Gelegenheit Einblick in eine indische Familie zu bekommen, lässt mich meinen Widerwillen herunterschlucken. Doch als Mama nach ihrere Ankuft und der zweiten Nacht meine Gefühle uneingeschränkt teilt, entscheiden wir uns für eine Höflichkeitslüge und den Umzug in ein Hostel. Es ist wirklich toll, dass ich jetzt mit ihr unterwegs bin, um dieses riesige Land und im Moment noch diese Familie und ihre Eigenheiten zu erkunden. Und bis zu unserem Umzug gibt es einige Geschichten.


80 % der Inder ernähren sich vegetarisch. Ob das in direktem Zusammenhang mit der Tatsache, dass 80% Hindus sind steht, konnte ich bisher noch nicht rausbekommen. Bei unserem ersten Abendessen erzählt Rogers kleiner Bruder Amit uns lang und breit über den besonderen Wert der traditionellen indischen Küche auf Grund ihre Ausgewogenheit. An sich die vielen verschiedenen Gemüse in Soßen, Pasten, Suppen und Eintöpfen vor allem in Verbindung mit der kreativen und abwechslungsreichen Nutzung von Gewürzen wirklich ein Genuß zum Essen. Roger präsentiert uns jeden Abend etwas anderes, oder lässt seinen Diener Verschiedenes zubereiten. In jedem Fall muss der jeden Abend traditionelle Teigfladen (Rotis) für uns zubereiten und auf einer Gussplatte überm Gas herausbacken. Jeden Abend ist er gegen 20 Uhr fertig, doch ohne ersichtlichen Grund bekommen wir bis um 22 Uhr nur die Vorspeisen und in der Zwischenzeit verkocht der Reis zur Pampe. Meistens haben wir solch einen Hunger, dass wir uns an dem Sprossen-Gurken-Pakrika-Zwiebeln-Tomaten-Salat mit Limettensaft als Dessing und den frisch gerösteten Erdnüssen mit Zwiebel so gütlich tun, dass wir dann schon fast keinen Hunger mehr haben, wenn das Dinner endlich serviert wird. Am ersten Abend wird mir trotz meiner Beteuerung, dass ich sehr wohl weiß, wie man mit den Fingern isst, etwas schulmeisterhaft gezeigt, wie das geht (natürlich funktioniert das hier genauso wie im netten Township Südafrikas oder dem westafrikanischen Restaurant um die Ecke). Nur erschließt sich mir nicht, weshalb ich mit den Fingern essen sollte, mir dabei alle die verschiedenen Gewürze und Öle zu einer, vor allem bei den Temperaturen, juckenden Mischung zwischen meinen Fingern sammeln sollte, wenn ich doch sowieso einen Löffel auf dem Teller liegen habe.
Auch sonst entzieht sich so einiges einfach unserem Kulturverstand. Die Lampen, die den ganzen Tag über brennen müssen, kann ich vielleicht noch mit dem "ich kann mir das leisten" erklären. Weshalb man sich mit dem Eimer-spritz-System wäscht, wenn doch aus der Wand über Kopfhöhe ein guter Strahl warmes Wasser kommt, keine Ahnung. Weshalb ein seltsames Bild von einem Mann ( "der Beherrscher der Welt" laut Roger (?!?!)) die gesamte Zeit in roten LEDs blinken muss. Warum ich 2 Smartphones, 2 LCD Fernseher, aber keine Waschmaschine oder Staubsauger besitze?


Das Eimerchen-Wasser-linke Hand- System als Ersatz für Klopapier erschließt sich mir in der Theorie. Allerdings gibt es eine offene Frage, was die Beseitigung des Feuchtigkeitrückstandes betrifft. Es ist zwar warm draußen, aber mit nasser Unterhose will doch trotzdem keiner umherlaufen.


Putzen auf (männlich) indisch: zwei Eimerchen Wasser übers Waschbecken, WC- Ente drauf, mit zwei weiteren Eimerfüllungen abspühlen. Dazu werden nicht benötigt: Schwamm, Handschuhe, mehr als 30 sec Zeit.


Wenn eine weise Frau mit geringem Selbstbewusstsein dieses allein durch Blick von Männern aufpolieren kann, dann muss sie nur nach Indien kommen. Ich werde angestarrt. Und das in anderen Kategorien als überall wo ich bisher war; und man bedenke, dass ich eine der Achtergruppe Weise war, die im schwarzen Township Khayelitsha gewohnt hat. Klar haben Sonne und Meerwasser meine Haare mitterweile blond gemacht, klar kleide ich mich zwar in weiten Shirts und trage eine Leggins unter meiner abgeschnittenen Jeans, aber vor allem durch meine kurzen Haare falle ich immernoch sofort aus dem indischen Gesamtbild. Und ich muss zugeben, dass ich das Damenabteil, welches sich in jedem ersten Metrowagon befindet, sehr schnell schätzen lerne und das nicht nur mit meinem Rucksack beladen.


Delhi präsentiert sich auf den ersten Eindruck als ungemein staubig. Allerdings liegt das hier nicht wie in Peking allein an der Luftverschmutzung und dem wenigen Regen während den Wintermonaten. Auf den 45 Minuten Fahrt mit der überirdischen Metro (mit ihren Sicherheitskontrollen und dem selben ausgeklügelten Karten und Preissystem wie die BTM in Bangkok das Modernste, was uns in dieser Stadt bisher begenet ist) von Rogers Wohnung in die Innenstadt Delhis haben wir eigentlich ein Bild vor Augen: zwei bis dreistöckige Häuser, zT noch nicht fertig gebaut und unten schon bewohnt, zum Teil durch Nachlässigkeit oder Mangel an Mittel schon wieder heruntergekommen oder sogar verfallen. Überall der Staub. Nur ab und an blitzen Bourgonvillen in herrlicher großgewachsener Pracht in all ihren gelben, pinken, lilanen, orangenen und weißen Blüten unter dem Staub hervor. Das Gras der Parks ist eher ungesund grün, auch wenn unsere Schuhe herrliche Matschspuren bekommen, weil die Bewässerung seenartig stattfindet. Und was den Müll betrifft, da hat Indien eindeutig seine eigene Kategorie. Dass Länder welche größere Probleme als Umweltschutz haben, oftmals kein Verständnis für Mülltrennung in ihrem Selbstverständnis finden, das ist mir ja schon öfters untergekommen, aber ich war noch in keinem Land, dass so dreckig ist wie Indien. Müll vergammelt bergeweise in den Straßen. Die Hunde, Katzen, Ratten, Rinder und Schweine ernähren sich davon und nicht seltsen sieht man sie Seite an Seiten mit Straßenkindern nach Essbarem stöbern. Die Besserverdiener werfen schonmal ihren Müll aus dem Auto auf die Straße. Alle tragen gerne zu schon vorhandenen Bergen bei, indem sie ihre Fastfoodteller, Becher, Essensreste einfach dazu geben. Mir scheint, es ist eine gute Idee keine Tiere zu essen, wenn die sich von Müll (inklusive Plastik in allen Formen) ernähren. Und der Gestank, der sich vor allem beim schönsten Sonnenschein ausbreitet, gibt mir eine ziemlich gute Idee davon wie es bei uns im Mittelalter gerochen haben muss.


Es ist reichlich interessant vom bevölkerungsreichsten Land ins zweitbevölkerungsreichste zu kommen. Denn in China habe ich zB das typische Drängeln in der Ubahn und das Wertesystem in dem eine 1-2 einem Schüler als Versagen angekreidet wird, gerne für mich damit begründet, dass sie eben irgendwie immer versuchen müssen nicht zu kurz zu kommen, aus der Masse herauszustechen, denn es gibt einfach so viele andere. Jetzt in Indien finde ich das selbe Gedrängel, finde wieder, dass vor allem die Männer sehr mangelnde Manieren haben (auch sie schaffen es, alle natürlichen HNO Vorgänge ungemein laut zu vollführen) und mir fällt auf, dass die Inder im allgemeinen ungemein laut sind. Sind mir die weisen Südafrikaner als allzu leise sprechendes Volk aufgefallen, so sind die Inder eines das zu laut ist, und ich bin selbst nicht grad leise, doch mit dem Familienclan unseres Gastgeber Roger kann ich nicht mithalten.

Doch auch was die Wahrzeichen Delhis betrifft waren wir nicht untätig: auf einer Führung Rogers gings in den Lori Park, in welchem einige alte Gebäude und Grabmäler vor sich hin zerfielen und der indischen Jugend Schutz für Annäherungen, die über das schon verbotene Händchenhalten und Küssen im Park (denn mit strengen Elternhäusern geht das ja nicht Daheim) weit hinaus gehn. Dann einen kurzen Abstecher zum India Gate. Ein großer Torbogen mit der Aufschrift India und vielen indischen Besuchern drum herum, mehr gibt es dazu wirklich nicht zu sagen. Und zum kröhnenden Abschluss, die älteste Mosche Indiens dessen herrlich rotes Sandsteinminarret mit den umliegenden Ruinen wirklich interssant war. Mit Mamas Begleitung mache ich einen Ausflug zum National Museum. Wir sind uns einig, dass man so heute kein Museum mehr machen würde (auch wieder viel hilft viel Methode) aber mit dem Audioguide, welcher beim Eintritt dabei ist, haben wir eine interssante Reise durchs Museum. Von Geschirr über Textilien, Schriften, Bilder, Ausgrabungsstücke bis hin zu Inkakunst (keine Ahnung was die hier soll, aber wir denken man hatte das halt auch noch). Langsam arbeiten wir uns auch in die Götterwelt der Hindus ein, doch die Geschichten und Gedichte und Aufschriebe zu den verschiedenen Religionen und der Geschichte eines riesigen Landes wie Indien werden wir in unserer Zeit in Indien nur anschneiden können.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0