Indien, Agra - vom Taj, Indiengeschichten und dem Problem mit den kurzen, blonden Haaren

Der Ventilator dreht sich angenehm lansam über unserem orientalisch rotem Doppelbett. Um kurz nach 10 hat sich meine Mum schon zum Schlafen hingelegt und wiedereinmal merke auch ich, dass man auf Reisen allein schon von den vielen Eindrücken, die auf einen einströmen ein erhöhtes Schlafbedürfnis hat. Gerade bin ich auch durch an die 300 Bilder gegangen, die ich seit meiner Ankuft in Indien gemacht habe. Und dabei ist mir aufgefallen wie viel wir bis jetzt schon gesehen haben. Und da wir jetzt mit unserem Fahrer Kamal unterwegs sind machen wir das Beste draus, insbesondere nachdem uns heute von einer Deutschen, die das Hotel die Straße runter hat, erzählt wurde, dass wir wohl höchstwahrscheinlich abgezogen wurden. Doch ihre Erklärungen hatten auch ihre Widersprüche (auf der einen Seite meinte sie es kann nicht sein, dass die Züge bis zu 5 Tagen ausgebucht waren, auf der anderen dann aber, dass man seine Zugtickets mitterweile so viel früher reservieren muss, sonst kriegt man nichts mehr) und ich hab mich entschieden, dass egal ob Nepp oder nicht, das Arrangement besonders auch für meine Mutter nicht schlecht ist. Wären wir wieder Overlanden gegangen (leider gibt es im Moment keine Touren) wären es um ein vielfaches teurer geworden. Noch dazu sind wir jetzt mit einem Auto und einem ortskundigen Führer in der Lage auch zu den Sehenswürdigkeiten zu kommen, welche nicht oder nur schwer mit Öffentlichen zu erreichen sind (und das sind nicht wenige). Und dazu ersparen wir uns den Stress, Straßen zu suchen, wenn doch nirgends Straßenschilder stehn und uns die Leute andauernd Müll erzählen, egal ob für Sehenswürdigkeit oder unsere Unterkunft. Kamal, unser Fahrer, kann für die Situation auch nichts und ist bisher einer der positivsten Eindrücke von indischen Männern. Außerdem sind wir jetzt so oder so schon drin und daher gibt es doch nichts besseres als das positiv zu sehn, morgen um 7 auszustehn und das Allerbeste rauszuholen.

Heute auf der Fahrt von Delhi nach Agra haben wir zum Beispiel so viele Begebenheiten beobachten können und Impressionen bekommen, welche wir aus einem Zugfenster mit Sicherheit nicht hätten sehen können. Denn unsere Fahrt führt uns durch ländliche Gebiete, in denen von Hand Weizen geentert und in waghalsigen Konstuktionen kollonenweise abgefahren wird. Wir kommen an ärmlichen Hütten vorbei, sehen Straßenkinder (zum Teil im Kindergartenalter) spielen oder nach Essen suchend im Müll wühlen. Im Minutentakt überholen wir TukTuks, Kleinlaster und noch so einige andere Arten von Gefährten, welche heilos überladen ihren Weg im indischen Verkehrschaos machen. Mütter zu fünft nebeneinander auf Pritschen von Lastern sitzend zum Teil zwei schlafende im Arm halten, ein Fahrrad welches drei Zweisitzercouches auf einmal transportiert, LKWs, die mit Schnürrknonsturkten große Metallfässer bis halb über ihre Ladefläche hinaus stapeln, Tanklaster, welche eindeutig schoneinmal zumindest zum Teil in Brand standen oder bei welchen schon große Teile einfach durchs Rosten schon herausgefallen sind. Ja ich habe schon einiges gesehn auf unterwegs auf den Straßen im südlichen Afrika zum Beispiel, aber Indien öffnet auch hier seine eigenen Kategorien. Unser Frühstücksstop ist nicht weiter erwähnenswert und nach etwas über 4,5h hält Kamal am Grabmal des Vaters des Taj Mahal Erbauers. Später stellen wir fest, dass sich eindeutig die Entwicklung vom gestern besuchten Humayun's Gabmal (Großvater) letztendlich hin zum Taj Mahal erkennen lassen. Wir können es nur mit dem trockenwarmen Klima erklären, dass die roten Sandsteinbauten und die aus weißem Marmor, immernoch so unverwittert sind. Beinahe gefällt mir das Akbar Mausoleum sogar besser als das Taj (welches ich mir irgendwie größer vorgestellt hatte), denn da sich die Bauten bis auf ihre Farbe meiner Meinung nach nicht groß unterscheiden, geht es auch um die gesamte Anlage und die ist bei Akbar schöner bepflanzt und die Antilopen, Affen und Hörnchen, welche frei herum rennen sind ein zusätzliches Plus. Natürlich ganz zu schweigen von dem Menschenmassen am Taj, obwohl wir dieses erst nach einem Mittagsschlaf und dem internetmotiviertem Ausflug zum Hotel der Deutschen besuchen. Ja nett ist das Taj schon, aber den ganzen Trubel nicht unbedingt wert. Kamal fährt uns dann noch zu einer Mosaikwerkstatt. Angeblich machen die es da den Künstlern Florenz nach, nur dass sie es filligraner können. Beeindruckend ist das in jedem Fall anzusehn und Mama und ich üben uns im lustigen Spiel die Teppichverkäuferveranstaltung zum Museumsbesuch umzuwandeln. Sichtlich leicht verwirrt lassen wir den Herrn der Galerie zurück und freuen uns schon aufs Abendessen.

Im Englischen gibt es einen Spruch darüber, dass man lieber mit dem Teufel zu tun hat, den man kennt und wir wissen spätestens jetzt ja, dass die Sache an sich nicht koscher ist, der Trip deshalb aber noch lange nicht negativ für uns. Natürlich ist es ein dummes Gefühl wahrscheinlich ziemlich über den Tisch gezogen worden zu sein. Natürlich spielt es nicht gerade positiv in unsere bisherigen Erfahrungen mit Indien. Und mir fällt heute mal wieder nur zu deutlich auf, dass ich nicht in einem Land leben will, indem ich auf Grund meines Geschlechtes und/oder meiner Hautfarbe signifikant anders behandelt werde. Vom Verstand her kann ich die Hintergründe nachvollziehn oder zumindest einordnen, kann nachvollziehn, weshalb ich in dieser Gesellschaft, in welcher Sex kein Thema und der Mann der Frau ihr eigen Gott, angestarrt werde. Aber dass sexuellen Belästigungen und Übergriffe zum Leben in Indien ganz natürlich dazu gehören zu scheinen (sogar lonley planet schreibt dazu, dass wohl die meisten weiblichen Touristen um eine solche Erfahrung nicht drum rum kommen),  widert mich an. Die Deutsche erzählt uns einige Geschichten aus ihren vielen Jahren in Indien und ist nicht verwundert über meine Einschätzung, dass mir die verschobene Aufmerksamkeit der Männerwelt bisher noch in keinem Land in diesem Ausmaß passiert ist. Ich merke schon wie ich von den offensichtlich oftmals nicht gerade hellen Mitarbeitern in den Hostels allein auf Grund meiner Weiblichkeit für dumm verkauft werde. Leider ist mein Englisch allemal besser als ihres und so weiß ich, dass ich zwar sei es inhaltlich oder auch nur gramatikalisch recht habe (ein @ heißt eben auch im Englischen nicht "Großbuchstabe A") und mir allein aus Prinzip, so scheint es, vehemend dagegengehalten wird. Zum einen ist es die Tatsache, dass mir die meisten Männer zu glauben scheinen, dass ich zwar zum Phantasieren gut bin, aber in jedem Fall ihnen auch kognitiv/ intellektuel unterlegen bin und es selbstverständlich ist mir jederzeit ins Gesicht zu lügen um einen Vorteil herauszuschlagen. Grundlegend habe ich ein riesiges Problem mit Unwahrheiten und Lügen will ich nicht in meiner Lebenswelt haben. Doch hier, genauso wie im Township Südafrikas und auf der Trauminsel Samui, gehört es zu den Grundfesten, ist zum Teil sogar in verschrobener Form Teil der Kultur ( ja nicht sein Gesicht verlieren). Da ist mir mein gradliniges Deutschland doch so viel lieber. Da weiß ich woran ich bin und kann die Menschen und Situationen einschätzen und dazu ist das Leben in dem Land über längere Jahre nichteinmal nötig. Immerhin wird es einem beim unmütig sein im Ausland wiedereinmal bewusst, was man doch an seinem Heimatland hat. In Deutschland mag auf höherer Ebene auch vieles krumm und schief sein doch immerhin die Ebene welche uns im Moment hier Probleme bereitet hat in Deutschland für sich ein Wort, welches sie zum Großteil zusammenfasst: rechtschaffend.


Ich weiß im Moment gehe ich heftig mit den Gegebenheiten in Indien ins Gericht, doch meine ernsten Gedanken halten mich in keinem Fall davon ab, staunend vor all den interessanten, tollen und aufregenden Dingen zu stehn die mir auf dieser Reise passieren. Aber sich mit den aufkommenden Problematiken und Diskrepanzen ernstlich auseinanderzusetzen, das ist es meiner Meinung nach was die Reise vom Urlaub unterscheidet und ich bin im Moment hauptberuflich Reisende.

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