Japan, Tokio - Sonntags im Park und die Kunstlandschaft

Was kann man sich so vorstellen, dass man Sonntags in einem japanischen Park antreffen kann. Die dünnen Wände und kleine Wohnungen machen jede Art von Sportbetätigung in der Gruppe (also vor allem Tanzen ohne Musik (weiß der Henker warum!) und Joggen), jedwege Art von Musikinstrumentenerprobung und natrülich auch jede denkbare Ballsportart unmöglich, daher muss dass dann alles Sonntags im Park eledigt werden. Ja Chorproben haben wir auch angetroffen (am erstaunlichsten fand ich bei denen, dass die Damen doch wirklich im Park auf der nassen Wiese in Highheels standen). Doch so recht kann ich mich nicht entscheiden, ob die Star Wars Stormtrooper oder die Rockabillies amüsanter waren. Erstere stiefelten als Achtergruppe in voller Montur durch den Park, zweitere waren in zwei rivalisierenden Gruppen am Parkeingang und haben sich mit Tolle in den Haaren auf !japanischen! Rock’n’Roll einen abgezappelt! Herrlich verrücktes Japan!

 

Auch nach 5 Tagen in dieser verrückten Stadt muss ich immernoch sagen: Tokio hat die bestgekleidesten Menschen, die mir bisher je irgendwo begegnet sind. Es sind nicht nur die Frauen, bei denen man eigentlich jede zweite anhalten könnte um sie für ein Modemagazin shooten zu lassen sondern auch die Herren der Schöpfung verbringen im Durchschnitt deutlich mehr Zeit vor dem Kleiderschrank als ich wahrscheinlich fürs komplett ausgefertig machen. Am Anfang dachte ich mir noch, ich fange jetzt an Frauen zu fragen, ob ich Beweisfotos schießen darf, aber jetzt wo ich mich mehr durch die Stadt bewegt habe, werde ich von dem Flut von Modemotiven so überfordert, dass ich mich schlichtweg nicht entscheiden kann und so noch kein einziges Bild von dem Kleidungsstil hier geschoßen habe.

Ich versuche konstant dem Geheimnis der wohlgekleideten Tokioer auf die Schliche zu kommen. Zum einen erscheint mir Daniels Erklärung, dass das Äußere so wahnsinnig wichtig ist, ziemlich plausibel. Auch habe ich herausbekommen, dass Klamotten hier im Vergleich zu den allgemeinen Lebenhaltungskosten ziemlich billig sind.

 

Ich weiß ich habe den Arbeitselan schon erwähnt, muss es allesdings noch einmal machen, da mich vor allem die Angestellten mit total nichtigen/sinnfreien Jobs wirklich am meisten beieindrucken. Auch erschließt sich mir die pure Existenz dieser Jobs noch nicht, denn die Arbeitskosten hier sind garantiert nicht niedrig. Warum brauche ich also drei Leute um mein Ticket abzureißen, mir den Weg den Gang entlang zu zeigen und auf das Aufzugknöpfchen zu drücken?! Und warum sind die dann alle auch noch so wahnsinnig freundlich?! Der Laufschritt ist hier sogar bei Postboten nichts Ungewöhnliches! Ich kann einfach nur staunend davor stehn. Allerdings gibt es eine Sache, die zum einen aus dem Arbeitseifer resultiert, ihm aber nach deutschen Vorstellungen dann doch irgendwie auch wieder heftig wiederspricht. Und das ist die Tatsache, dass Japaner immer und überall die Gelegenheit zum Schlafen zu nutzen scheinen. Es ist nicht Außergewöhnliches, wenn jemand in einer Fast Food Kette oder sogar in der Bar schläft! Das die Menschen im öffentlichen Nahverkehr gerne mal eindösen ist ja nichts besonderes, aber die enorme Anzahl in Japans Ubahn, die habe ich noch nirgendswo anders tagsüber gesehen. Ich gebe zu, noch habe ich niemandem an seinem Arbeitsplatz schlafen sehen, der da nicht sein eigener Herr gewesen wäre (also so kleinere Läden wie Wäschereien oder so).

 

Die Japaner scheinen das überwältigende Kunstangebot in Tokio sehr rege wahrzunehmen, doch sind es am heutigen Montag natürlich vor allem Rentnergrupper, die ein einzelnes Touristenmädchen oftmals anerkennend anlächeln. Zwei sehr große private Museen haben im Gegensatz zu allem anderen auch montags geöffnet. Beide sind zwar nicht gerade billig, allerdings lohnt sich der Eintritt, denn einmal gibt es beeindruckendes Museumsgebäude mit einer Ausstellung „europäische Meisterwerke aus 400 Jahren aus der Sammlung St. Petersburg“ , im anderen eine Rundschau aktueller Kunst aus dem arabischen Raum. Als Zugabe gibt es beim ersten Stop einen traditionelle Kunst Workshop und beim zweiten eine Bourgeois Spinne vor dem Gebäude. Beim Workshop stelle ich fest, dass ich allerhöchstwahrscheinlich große Probleme im japanischen Schulsystem als Kind gehabt hätte. Alle lauschen geduldig einer halben Stunde lang der kompletten Malanweisung für Pinsel mit Tinte auf Papier und dem Arbeitsauftrag „Bambus“ und mir juckt es in den Händen, das ganze einfach mal auszuprobieren. Es erklärt auch warum die meisten mehr Ahnung von englischer Grammatik haben, als wirklich Englisch sprechen können. Ich bin die einzige nicht Japanerin in der Runde und mit Abstand die Jüngste. Alle anderen halten sich fein an die Anweisungen und ich setze mich nach und nach mehr über sie hinweg. Dann bekomme ich zwar zu hören, dass man auf ein Bild mit Fischen keinen Bambus malt, das wäre nicht Teil dieser Art von traditionellem Motiv. Tja dann wiederspricht das ganze aber heftig meinem Verständnis von Kreativität (und irgendwer hat mir mal geflüstert, das hätte was zu tun mit dem Prozess Kunst zu schaffen) und erklärt zugleich auch weshlab ich immer das Gefühl hatte, dass man bei den alten chinesichen (und die japansichen machen da auch keinen Unterschied) „Aquarellbildern“ nicht viel Neues zu sehen bekommt. Und als ich meine zwei Bilder fertig habe (eines noch eher „zahm“ = traditionell und eines mit Fischen, Bambus und Regentropfen), da denke ich mir, dass ich den Bambusbild Daniel schenken werde. Denn das Zimmer kann ein wenig Deko gebrauchen und diesen Morgen hat er mir doch ernsthaft netterweise zwei 2Literflaschen Wasser gekauft und nebens Bett gestellt, als er zur Arbeit ist.

Die Spinne finde ich dann auch wirklich beeindruckend. Auch weil es mal wieder etwas ist, was ich schon aus dem Kusntuntterricht kenne (die gute Dame war sogar Sternchenthema im Kunstabi). Ich feier es daher richtiggenden, als sich die übergroße Metallkonstuktion mit einem Mal vor mir auftut. Auch dieses private Museum ist sein Eintrittgeld durchaus wert. Ich finde gleich mehrere Stücke der „arabtrain“ Ausstellung sehr interessant. Man kann gewisslich sagen, dass sie sehr abwechslungsreich ist und ich bin mehrfach sehr gerührt, angetan oder stehe sogar vor Videopresentationen und sage „fuck“ weil die sich das tauen (zB während der Revolution in Ägypten eine Streetperformance zu machen, bei der 20 Menschen auf allen Vieren durch die Stadt krabbeln und dass dann noch „Schweigen der Schafe“ zu nennen). Auch an der Wand eine bessere Karte für den Mittleren Osten puzzeln zu können oder ein Raum mit einer schwarzen Fountaine die prasselnd auf eine Membran fällt und das vor einem Fenster angeordnet, welches auf die Stadt, welche 52 Stockwerke unter uns liegt, zeigt. Ich bin mit Eindrücken überflutet und freue mich auf einen ruhigen Abend und früh ins Bett gehn.

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