Schottland, Dundee - Willkommen in Hogwarts

Ich verliebe mich zunehmend in diese Stadt mit meiner Uni. Die machen es aber einem auch einfach. Und die Sonne strahlt im Freiburg Schottlands als wollte sie ihren Teil zum positiven Eindruck beitragen. Fast täglich wird wiederholt, dass man stolz ist uns jetzt hier an der Uni zu haben, dass wir stolz auf uns sein können in diesen Psychologie-Jahrgang reingekommen zu sein, dass die Stadt selbst sich über unseren Imput freut.

Über eine Woche lang organisieren sowohl die Uni selbst als auch die Studentenvertretung Veranstaltungen. Gebrauchter Fahrrad Verkauf (check), Hausarztanmeldung (check), Bankaccount (check), Vorstellung der Sportclubs (check: Surfen), Verstellung der Societies (check: Psycho, International, Selbstverteidigung), Infos zu Jobs (Anmeldung check), Sprachen (check), Volunteermöglichkeiten (mehrfach check) usw! So zahlreich, dass man es nicht annährend schafft an allen teil zu nehmen. Sanft eingebetten zwischendrin sind die wenigen Pflichtverantstaltungen, die durch die ausgezeichnete Ausstattung reibungslos und erschreckend schnell ablaufen. Meine Modulwahl ist trotz mäßiger Vorabreit und nötiger Wiederholung in weniger als 30min erledigt. Eingeschrieben und stolz lächelnd und fürs durch den Raum hüpfen von mehreren Seiten sehr nett angelächelt, mit meinem Studentausweis in Händen verlasse ich nach 4min schon wieder den Ort des Geschehens. Psychologie lässt uns im ersten Jahr wahnisnnig viel Spielraum, daher mach ich jetzt mal Life Science Module (biolastig) und Geschichte (denn Englische Literatur, meine erste Wahl, geht auf Grund von überschneidenen Veranstaltungen nicht). Doch wir werden ausdrücklich ermuntert die Vorlesungen von anderen Fächern zu besuchen. Nichts lieber als das! Als ich dann nach den Zeit und Orten für die anderen Vorlesungen frage ernte ich dafür doch ein wohlwollendes Lächeln der Chefsekräterin Psychologie.

 

Mein Zimmer ist eine der ersten großen Überraschungen. Ich habe mich da wohl in den Begrifflichkeiten geirrt, denn ich finde mein eigenes kleines Bad in meinem Zimmer. Das Bett ist gemütlich wenn auch schmal, das von der Uni erworbene Bettzeug torzt Niedrigpreises erstaunlich warm. Das erste Mal in meinem Leben habe ich ein Ostzimmer und somit die Sonne die morgens wunderschön ins Zimmer scheint, aber geschickterweise nicht auf mein Bett. Wir sind im dritten Stock und da Schottland auch sehr besorgt um seine Bewohner ist, können wir leider unsere Fenster nur schräg stellen. Doch die Höhe sorgt dafür, dass wir über die Friedhofsmauern schaun können und somit habe ich einen herrlichen Blick auf die Steinsäulen, die dort als Grabsteine viel enger als bei uns stehn. So recht weiß ich nicht, wie die Menschen dann begraben werden (der Sarg aufrecht? oder sind das Urnengräber?), aber sehr schön sieht das in jedem Fall aus.

Meine fünf Wohnungsmitbewohner hätte ich mir selbst kaum besser wählen können. Drei Jungs aus der UK, drei Mädels aus der EU. Zweimal Doktor, einmal Pharmazie, einmal molekulare Biologie (oder so?), einmal Physik (der Einzige der nicht sonderlich viel redet). Wir sind 19 bis 22 Jahre alt, die Mädels auf der älteren Seite. Unsere Grundvorstellungen zum Zusammenleben decken sich in angenehmerweise und so freu ich mich jedes Mal wieder wenn ich jemanden in der Küche finde. Man ist umsichtig, denn der mir bisher einzige aufgefallene Nachteil der sehr gut ausgestatteten Wohnung sind die dünnen Wände. Schnell stellt sich Lotta, meine Deutsche in der Wohnung als Freundin heraus. Und somit habe ich wohl eines der besten Starterpakete bekommen. Tolle WG und schon eine Freundin mit drin.

Ebenso angetan bin ich von meinem ersten Eindruck der Fachschaft Psychologie. Die sind einfach so nett und cool und die Begrüßungsreden versprechen jetzt schon interessante Vorlesungen. Unser Jahrgang sei von den Einstiegskriterien ziemlich hoch, daher könnten wir stolz sein hier zu sein. Wir sind schätzungsweise 100, erwartungsgemäß nur eine Hand männlich. Ich verspüre VORFREUDE. Ein Wort das man nur groß schreiben kann.

 

Ich kränkel die Woche über ein wenig (Freshers Flu nennen sie das hier) aber treibe mich trotzdem je nach Möglichkeit fleißig auf den Veranstaltungen rum. Da meine Stimme angekratzt ist komme ich mehr zum Zuhören. Es fällt auf, dass man vor allem internationale Studenten kennen lernt. Denn die einheimsichen scheinen sich konstant in Gruppen zu bewegen. Wir erfahren auch, dass ich manche Freundeskreise geschlossen an den selben Universitäten bewerben. Lustiges Volk. Ich stelle fest, dass ich über meine außeruni-Aktivitäten einfach Leute aus den höheren Jahrgängen und auch von außerhalb der Uni kennen lernen muss. Denn sobald ich einem der 17 oder 18-jährigen erzähle, was ich schon alles gemacht habe, sind die oftmals so beeindruckt, dass sie kaum mehr ein Wort rausbringen. Aber nett sind sie zumindest tagsüber im nicht alkoholisierten Zustand alle.

 

Und dann stehe ich Samstag Abends im Club. Ich kann mich an diesem Abend einfach nicht entscheiden. Wer das schrecklichste Outfit hat. Vielleicht sollte ich anfangen Bilder zu machen, aber bitte nicht wie die Jugend hier mit ihren Handys. Die vielen Asiaten müssen sich hier was das betrifft nur allzu heimisch fühlen. Die Mädchen haben aber auch Zeug an. Da wird jede Figur betont, Fleisch gezeigt, in den allermeisten Fällen ohne jedwege Jacke angereist (und ich bin dann die, die die Grippe bekommt, ja klar!). Ich vermute, dass die höchsten Absätze die ich gesehn habe 18cm hatten. Im Durchschnitt sind es aber an allen bisher beobachteten Abenden um die 10 bis 12. Und mit dem exzessiven Alkoholkunsom endet das dann in wirklich nicht ansehnlichen Gehversuchen. Ich will mit Sicherheit nicht behaupten, dass ich auf solchen Dingern eine bessere Figur abgeben würde, aber daher trage ich sie auch einfach nicht. Immerhin sind die Partynächte hier vergleichsweise kurz. Warum auch immer, aber es scheint so zu sein, dass man erst nach 12 erscheint und da die Clubs der Uni hier schon um 2.30 zu machen, müssen die Mädels ja auch nur vergleichsweise kurze gute 2h auf diesen Waffen aushalten. Als eine mir auf der Tanzfläche beinahe ein Loch in einen Fußknöchel stantzt beschließe ich, sollte ich je einen Club aufmachen, dann werden da Highheels verboten sein.

Unsre Uni hat zwei Bars und zwei Clubs auf dem Gelände, besonders für die Leute die auf dem Campus untergebracht sind, liegt das dann buchstäblich vor der Haustür.

Doch die gesammelten Impressionen der anderen Abende dieser Woche fließen in denen des heutigen zusammen. Und werden zum Teil noch übertroffen. Denn der DJ des heutigen Abends löst nur immer wieder Kopfschütteln bei mir aus. Was der an Liedverschleiß hat ist schon enorm. Denn keines läuft länger als eine Strophe ein Ref (sofern sich die Lieder die er spielt mit solchen Kategorien aufteilen lassen). Nachdem ich das erkannt habe bequeme ich mich für die insgesamt drei für mich tanzbaren Lieder in 40 min nicht mehr auf die Tanzfläche. Ich stehe auf der Empore und bestaune das Volk. Hier bekommt man wirklich das finale Gegenargument für G8 geliefert. Diese Menschen sollten heute Abend noch zu ihren Eltern nach Hause zurück kehren müssen. Und ich muss auch sagen, dass ich unser deutsches System was Ausgehn ab 16 Jahren bis 0Uhr erlaubt und Bier und Wein ab 16 legal macht einiges beiträgt um den Jungvolk einen sanften Übergang in die Partygeneration zu ermöglichen.

Und wenn man dann beobachten muss wie ungeschickt und zum Teil einfach nur zum Gesicht verziehen sich hier angenährt wird. Auf der Veranstaltung des heutigen Tages mit ganz vielen Infoständen zu allen möglichen Organisationen, Insitutionen und Societies haben wir gelernt, dass man unter der Jugend in Dundee doch ernstlich 23% mit sexuell übertragbaren Krankheiten infizierte hat. Ighitigat! Doch sonderlich überrascht mich das nicht, wenn ich sehe wie unfindig man hier schon beim Erstkontakt vorgeht. Naja vielleicht schieben wir auch einen Teil auf den Alkohol. Doch immerhin sorgen die erschreckend hohen Zahlen an Teenagerschwangerschaften dafür, dass jedwege Verhütung kostenlos gestellt wird. Zudem sind alle Studenten im Allgemeinen über die Universität versichert.

 

Lotta hat wohl einen der besten Sprüche gebracht, der meinen Harry Potter Gedanken einfach nur herrlich fortsetzt. „Es ist fast als wären wir am Ende doch in Hogwarts aufgenommen worden“ Die alten Gebäude und verwinkelten Gässchen auf dem Unigelände, die golden-rote Schuluniform einer der örtlichen High Schools und deren Umhänge (ja im Ernst Umhänge). Nur zu passend, dass die Psychologie Society eine Themenparty dazu veranstalten wird. Bis dahin staunen wir weiter.

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