Schottland, Dundee - Doghouse, Ceilidh Queens Hotel, Law Hill, Dundeekinder

Wie seltsam schnell das letzte Viertels dieses Jahres vorbeigeht. Aber ich muss sagen, dass das auch gut ist. Seltsam aber gut. Denn es heißt endlich mal wieder zu bleiben. Es heißt einen Rhythmus zu haben. Es heißt, dass jede Woche grundlegend die Struktur mit der vorigen teilt. Und es scheint sobald das der Fall ist, beginnen sie beinahe unbemerkt zwei Schritte schnell zu huschen. Doch 2012 wurde so oft als Datum niedergeschrieben, hat so viele Tage die Erinnerungen formten, hat so viele Erlebnisse die prägen und so viele Menschen die breicherten. Und daher ist zwei Schritte schneller huschen auch gar nicht mal schlimm.

 

Doghaus Open Mic night gibt es diesen Donnerstag nach Spanischunterricht bis um 9. Gaison meinte, dass ich nicht kommen müsse, da meine Woche etwas kränklich war und er und seine Freundin Ifi sowieso nur das übliche machen würden. Doch die beiden sind eindeutig gute Gesellschaft und das Übliche sind ziemlich coole, zum Teil sogar Disney-Songs.

Als ich ankomme sind nur betrunkene Menschen einer älteren Generation da. Als Gaison kurz später auftaucht wird er erstmal grummelig, dass der Gastgeber, wie die Woche zuvor auch schon, wohl kurz nach 9 seine Koffer gepackt hat. Die etwas überforderte Bardame instaliert zwei Mikrofone und schon ist Gaison etwas weniger grummelig. Doch abgesehn von der besten Performance, die ich von ihm bisher gesehen habe, geht der Abend recht ungewöhnlich weiter. Da haben wir zwei betrunkene Menschen, die nach Gaison und Ifi die Gitarre und Schellenkranz überreicht bekommen und dann zT unterschiedliche Lieder zur gleichen Zeit versuchen. Die Frau ist ziemlich hart neben dem Beat, der Typ regt sich darüber auf. Dann nimmt die Frau kurzerhand die Gitarre, der Typ fängt an wild gegen den Takt zu Rasseln und andere Lieder über ihren Gesang zu grölen. Wir liegen vor Lachen auf dem Tisch. Das ganze Spektakel zieht sich über eine halbe Stunde und ich hätte Eintrittsgeld für diese Comedy Performance gezahlt! Ich verlasse den Abend an dieser Stelle, da ich meinem geschwächten Körper nicht noch länger kirchenkalte Füße zumuten will. Gaison informiert mich, dass kurz später dann wohl noch eine ganze Gruppe hereinkam, er und Ifi nochmal auf die Bühne kamen und es darin gipfelte, dass er jetzt wohl der Gastgeber der Open Mic Night wird. Was für ein seltsam lustiger Abend!

 

Ceilidh Queens Hotel heißt es am Freitag. In der Stadt ist Weihnachtslichter-anknips-Fest. Das ist allerdings so überlaufen, dass ich ziemlich froh bin nicht drei Stunden zwischen Unmengen von Menschen mit Kindern mit schrecklicher Pop Musik beschallt zu werden. Die Lichterparade kann man leider kaum sehn, den chinesischen Drachen sehe ich auf meinem Weg raus aus dem Gewimmel. Der Verkehr liegt lahm. Dundee lässt einen gerne vergessen, wie viele Leute hier wohnen.

Doch Gaison ist dann auch gleich schon neben mir und zusammen stürtzen wir uns in die Party der Rotarians. Es wurde eingeladen, es gibt umsonst Tanz und Essen, dass ist mehr als genug Grund zu kommen. Wein gibt es dann auch ein Glas. Die Anordnung des Abendprogrammes ist eher seltsam, da wir zuerst trinken, dann tanzen und erst um 21 Uhr das Essen auf den Tisch kommt. Bis dahin bin ich ausgehungert, wurde von Gaisons schon legendären sarkastischen Kommentaren begleitet, mehrfach von alten Männern zum Tanz aufgefordert und habe einen herrlichen Spaß. Jackie crashed in Begleitung von Keith ohne Einladung die Veranstaltung. Aber das macht es nur irgendwie umso besser. Gaison muss vor einer anhänglichen, aber ziemlich unansehnlichen und zu alle dem auch noch stark riechenden Frau zu mehreren Tänzen mit mir flüchten. Keith redet sich an unserem Tisch beinahe um Kopf und Kragen und nur Gaison und ich bemerken es und übersetzen seine Schilderung der Rotarians in Scientology Metaphern.

 

Und am Samstag den 24.11.12 schaffe ich es dann auch endlich mal auf den Law Hill. Polen, Italien, Scheden und Deutschland besteigen jeweils durch eine Person vertreten diesen Hügel über der Stadt. Ja wie beim Signal Hill in Cape Town gibt es auch hier eine Straße die nach oben führt, allerdings haben wir kein Auto und ist es hier sicher genug zu Fuß zu gehn, somit muss also wenigstens für das erste Mal eine wortwörtliche Besteigung gemacht werden. Wir treffen uns gegen 6 an der Union auf dem Campus, da ist es schon zwei Stunden dunkel. Jeder Mal wenn ich auf die Landkarte schaue, trifft es mich wieder, wie erschreckend weit nach Norden ich gezogen bin. Und somit verzieht sich die Sonne am kürzesten Tag des Jahre schon 15.15! Ekelhaft! Aber immerhin werde ich dem zumindest dieses Jahr entgehen können. Auf die herrlich langen Sommertage freue ich mich dafür jetzt schon!

Mit meinem Couchsurfer Michael, mit dem ich mich am Nachmittag zum Tee getroffen hatte, komme ich darauf, dass das schlimmste am Dundee Winter nicht Kälte (die ist in Stuttgart schlimmer) oder Regen (Okt und Nov in D können mal locker mithalten) sind, sondern, dass es die Dunkelheit ist. Aber immerhin heißt das, dass wir heute noch bevor es zum schottischen Käse essen bei Friends International geht, zum Law Hill aufbrechen können. Eine gute halbe Stunde durch Parks und immer den Berg an. Und dann liegt die Stadt unter uns. Im Unterschied zum Lochee Park, dessen Hügel mit wunderschönen großen Bäumen bestanden ist, welche das Lichtermeer der Stadt abschiermen und so weit unten schimmern lassen, ist die Kuppe des Law Hills frei. Ein Lost-ähnlicher Funktmast und ein Kriegsdenkmal mit umliegenden Parkmöglichkeiten. Es ist spaßig kalt geworden, aber es muss ja trotzdem zumindest der Versuch gemacht werden, dass hier in Bildern zu bannen. Immerhin ist der Wind heute friedlich. Aber nach einer guten Weile hier oben, haben wir uns ganz eindeutig heiße Tassen Tee verdient.

 

Nach fast 3 Monaten in Dundee, bekommt man einiges an Meinungen über diesen Flecken Erde zu hören. Von der industiriellen Geschichte, über alte Karten, die ich studiert habe zu Eindrücken von Professoren, die nicht dachten, dass sie je in der Stadt landen würden, in die man bekanntermaßen geht, wenn man Teenager ist und schwanger, damit man vom Staat eine Wohnung bekommt. So hieß es zumindest eine Generation vor mir. Doch es scheint, dass die Kinder, die damals so nach Dundee gekommen sind, ziemlich viel von diesem Konzept halten, denn es schlägt einem richtig gehend ins Gesicht WIE VIELE ungemein junge Frauen hier Kinder haben. Die kostenlosen Verhütungsmittel aller Art scheinen da auch nicht wirklich zu helfen. Es kommt immer mal wieder der aus Südafrika bekannt Gedanke auf, dass das doch hoffentlich nur die große Schwester ist und nicht die Mutter. Doch es scheint, meistens wird der auch hier enttäuscht. Und natürlich sind es zum Großteil eben nicht die Unistudenten, die so einen Weg eingeschlagen habe. Natürlich gibt es auch die, aber deren Zahl verblasst gegen den Rest. Und dann sehe ich junge Frauen, die wohl einfach keine Chance auf viel mehr haben werden. Die Kinder aufziehn, die wohl auch nicht wirklich die Chance auf viel mehr haben werden. Und zugleich fällt mir auf, wie selten ich in Deutschland Kinder sehe. Natürlich sind wir hier nicht bei dritte Welt Dimensionen angekommen, aber umso mehr ein Land dem eigenen gleicht, desto mehr fallen fundamentale Unterschiede ins Gewicht. Und immer wieder kommt unser Gespräch auf diese jungen Eltern. Jung ein Kind zu bekommen ist das eine, aber die seltsame Idee, dass man dazu auch gleich noch heiraten soll, bringt viel zu viele dämliche Geschichten mit sich. Da fängt man doch fast an, den in Südafrika kennen gelernten Blick auf den Ringfinger zu proben, sobald man von einem Vertreter der Männlichkeit angesprochen wird. Am herrlichsten sind wohl die angetrunkenen Gruppen junger Männer, die wir bei unseren Open Mic Nights treffen, die sich dann gegenseitig mit der Hintergrundgeschichte „Frau und Kind“ in die Pfanne hauen. Es ist schlichtweg ein trauriges Spiel. Und mein wundervoller Kreis von Freunden ist sich bis auf eine Ausnahme einig, dass es schlichtweg keine Gründe gibt so jung und ohne bessere Gründe als ein gemeinsames Kind zu heiraten. Für eine Aufenthaltserlaubnis ja, dafür ein Kind adoptieren zu können (aber bitte auch später als Anfang 20!) ja, andere Gründe, an dich ich grade denken kann: keine.

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