Deutschland, Kornwestheim/Stuttgart: mit neuen Augen

Ich beginne Stuttgart sowohl vertraut als auch durch die Augen eines Reisenden zu sehen. Vielleicht fällt es mir nur mehr auf, aber vielleicht entspricht es auch der Tatsache, dass im Laufe der letzten drei bis vier Jahre immer mehr Touristen und englisch sprechende Zugezogene nach Stuttgart kommen. Ich erinnere mich nicht im Kellerklub Englisch gehört zu haben, als ich noch permanent hier wohnte, jetzt aber gehört es zu einem Abend dort dazu, und wenn es nur ist, weil ein DJ aus Nostalgie über Auslandssemester wieder fremde Zungen üben will. Aber auch auf der Königsstraße kann man kaum einmal auf und ab spazieren ohne mindestens drei verschiedene Sprachen zu hören.

Ich habe diesen Sommer einiges an Zeit hier verbringen können. Zwar haben meine Stuttgartbesuche in letzter Zeit oftmals ernste familiäre Hintergründe, aber das scheint dieses Jahr vielleicht einfach dazu zu gehören. Umso wichtiger ist es festzustellen, dass Krav Maga immer noch so viel Spaß macht wie früher. In mir manifestiert sich sogar der Elan mindestens zwei Mal die Woche einen Sport in Dundee machen zu wollen. Aber es ist auch, dass Chris und Anne nach dem Training zu mir kommen, Freibadausflüge oder Frühstück im blauen Engel mit Bo.

 

Mama und ich haben Leas Zimmer vollends auf Vordermann gebracht und so können wir im Juni unsere ersten Couchsurfer hosten. Beide heißen Christian, der erste aus Chile, der zweite Deutscher, welcher bald nach Kamerun zum Freiwilligendienst geht. Im August hosten wir dann noch über die Notfallcouch Stuttgart ein Pärchen aus Frankreich.

Nach meiner Rückkehr von meinen UK/Irland und Rumänien Reisen fange ich direkt ein zweiwöchiges Praktikum im Albert-Knapp-Heim an, in welchem mein Vater und meine beiden Uromas waren.  Jeden Tag um 7 mit der Arbeit zu beginnen ist eine interessante und meine Zeit dort insgesamt eine äußerst bereichernde Erfahrung. Gerade als zukünftiger Akademiker sind solche Erfahrungen umso wichtiger finde ich. Nach einer Woche Arbeit ruft mich Frieder spontan Freitag Mittags, während ich noch beim Mittagessenausgeben bin an und verkündet einen ganz besonderen Kartendeal fürs Taubertalfestival für mich zu haben. Nachdem ich zuhause bin, mich ums Auto gekümmert habe, einkaufen war und mit Mama und Rainer im Hirschgarten zu Abend gegessen habe geht es los nach Rothenburg. Das Wochenende beschert mir noch weniger Schlaf als die arbeitssame Woche, dafür aber umso mehr gute Musik, gutes Wetter und gute Gesellschaft. Neben der vielen Zeit mit einem meiner engsten Freunde und sind Biffy Clyro am Sonntag Abend aus der zweiten Reihe das Highlight meines Wochenendes mit einem Bett in der Jugendherberge, Frühstück, Cateringvouchern, Zugang zur friederveralteten Bar, Red Bull Aftershowband, bei den Ärzten auf der Bühnenseite stehen und Zugang zum Backstage inclusive.

Ich buche meinen Flug um, da ich keine Unterkunft im festivalteueren Edinburgh gefunden habe und mir der ganze VISA-Karten Betrug auf den Magen geschlagen hat. Aber auch, weil ich feststelle, dass meine Heimatstadt immer mehr Zeit verdient. Mit ihren Parks mitten in der Innenstadt, den tollen Restaurants die man in Deutschland auf Grund unseres Multikulticharakters hat, den Sonnenbädern auf unserem Blütenoasenbalkon, aber vor allem wegen der vielen tollen Menschen, die mich hier trotz all meiner weiten Wege nicht vergessen. Egal ob bei frischem Minztee auf dem Balkon, bei Frühstück mit Starbucks bei Luu auf morgendlicher Heimfahrt von Stuttgart oder im blauen Engel in Ludwigsburg, die Wärme von vertrauten Menschen sollte man einpacken können.

 

Meine Merlinbekanntschaft John aus den Staaten führt mich in eine andere Seite Stuttgarts ein, denn natürlich habe ich noch keines der Stuttgarter Hotels von innen gesehen. Aber auch tolle Restaurants und ein wenig mehr über die Lebenshaltung von anderen Westlern stehen auf der kulturellen Austauschliste. Natürlich revanchieren wir uns mit den Weisheiten einer schwäbischen Familie, mit Hasenbraten und einem Abend im Hirschgarten.

Und eine leicht unglaubliche Geschichte steuert er dann auch noch bei. Ich habe meinen Rückflug eine Woche nach hinten gebucht, denn Deutschland gefällt mir gerade zu sehr, und ich möchte den Stress meiner gestohlenen Kreditkartendetails verdauen. Ich hatte im online banking festgestellt, dass eine für mich größere Geldmenge von meinem Konto in Flüge und Hotels in Südafrika investiert wurden. Allerdings nicht von mir. Die Sperrhotline anzurufen dauert fast 45 Minuten bis ich mehrmals weiterverbunden, dann meine Karte sperren lassen kann. Dann geht es Abends mit der moralischen Unterstützung von Anne zur Polizei für die Anzeige. Der Polizist, der meine Anzeige aufnimmt kommt kaum mit aufzuschreiben hinterher , was meine Auslandsaufenthalte in den letzten beiden Jahren waren und auch ich muss mich reichlich anstrengen um die Liste vollständig zu bekommen. Für alle Seiten scheint es ominös, dass meine Details wohl schon wärhend meiner Zeit in Südafrika geklaut wurden, dann aber erst fast 2 Jahre später zum Einsatz kamen. Als ich die fehlenden Summen auf meinem Konto sah, dachte ich das Geld wäre verloren, aber es stellt sich heraus, dass meine Mum und Rainer beide wissen, dass VISA das einem ersetzt. Warum meine Anzeige mehr als 2 Wochen gebraucht hat, kann ich mit meiner Reisetätigkeit auch gut erklären und nach einigen Wochen findet sich das Geld wieder auf meinem Konto. Es braucht viel länger bis die Kreditkarte nach erneutem Nachfragen dann endlich bei mir in Schottland landet. In diesem ganzen Tumult bleibe ich noch eine Woche in Deutschland. Ich bin begeistert, dass man seinen Fernbus umsonst umbuchen kann. Mein Flug ist auch nicht sonderlich teuer, aber eine Busverbindung nach Dundee schaffe ich damit nicht mehr. Und John versteht erst am Abend vorher, dass ich mit „am Flughafen schalfen“ nicht meine, dass ich mir am Flughafen ein Hotel nehme. Doch auf einer Bank zu schlafen findet er abwegig und so skyped er seinen Service für gesammelte Bonuspunkte und fragt nach einem Hotel in Edinburgh. Die Dame fragt nach dem Land. Er strahlt und sagt Schottland. Sie sagt, dass habe sie nicht. Dann sei das Irland. Ich gebe mir große Mühe nicht zu lachen und flüstere UK ein. Damit ist Edinburgh dann auch gefunden. Das einzige Hotel, dass sie da hätten wäre das Sheraton. Mir fällt alles aus dem Gesicht, denn ich weiß wo das ist! Gleich neben der Messehalle in die jährlich Hauptkonferenz für TED talks stattfindet. Das kann jetzt nicht sein Ernst sein! Als die Dame ihm mitteilt, wie viele Punkte das kostet entgleitet dafür ihm das Gesicht. Ich habe mit Absicht nie nachgeschaut, was das Zimmer am Ende gekostet hat. Ich mache John nochmal klar, dass ich problemlos am Flughafen schlafen kann, aber er lacht und bucht. Ich solle ihm Beweisfotos schicken.

So kommt es dass ich einen Tag später in indischer Reisehose und mit meinem grünen Backpack ins Sheraton einchecke. Mich überrascht gar nichts mehr in dieser seltsamen Welt, denn Johns Buchung wurde automatisch zu einer Suite mit Blick auf die Burg upgegraded. Ich bin einfach nur dankbar für das saubere und sehr bequeme Bett. Die Lichtinstallationen kommen mit Gebrauchsanweisung und der Fernseher begrüßt mich mit Namen und Musik, so dass ich beim Öffnen meines Zimmers erstmal verwirrt in den Raum frage, da ich mir nicht sicher bin ob mich die Zimmerkarte vielleicht bei jemand anderen eingelassen hat. Am nächsten Morgen gibt es zwar kein Frühstück dazu (wäre vielleicht nützlicher gewesen als einen Ausblick auf die Burg zu haben denkt der Schwabe lachend) daher bade ich, ausgiebig und mit Blick auf die Burg (muss ja genutzt werden). 12Uhr spätes auschecken gibt es zu dem Upgrade dazu. Seltsam seltsam, was sich so fügen kann denke ich, als ich zur Busstation laufe. Aber so fängt das neue Studienjahr ja gut an.

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